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Der tragische Tod eines Wirtschaftsexperten - Deutsch

Kroz konkretne karaktere apatičnog novinara, nedefinirljivog poslovnog poduzetnika, ratne udovice i mlade, akademski obrazovane osobe koja nema pravi doticaj s realnošću koja ju okružuje, S.E.A je centrirana oko smrti jednog nepoznatog aktera, čiji uzroci nisu točno definirani, ali koja je pak pokretač cijele radnje, kao i jedan od simpoma njihovog statusa quo.




GODINA PROIZVODNJE: 2011

BROJ ŽENSKIH LIKOVA: 2

BROJ MUŠKIH LIKOVA: 2

AUTORSKA PRAVA: Sva prava pridržana





-        Hörfunkredakteur

-        Investor

-        Freundin des Verstorbenen

-        Mitarbeiterin des Redakteurs





( - ) Zeichen für den Teil, der abwechselnd von allen im Chor gesprochen wird.



Der Übergang aller Figuren in einen sprechenden Chor ist fließend; der Regisseur verteilt die Figuren in den Chor nach eigener Vorstellung.



EINS


Die Freundin des Verstorbenen betritt die Bühne. Sie setzt sich. Sie ist verweint. Sie betrachtet sich ein wenig im Spiegel, rollt mit den Augen. Der Hörfunkredakteur kommt herein. Die Freundin erschrickt. Der Schauspieler, der später den Investor spielt, kommt nach der Freundin des Verstorbenen und dem Hörfunkredakteur, doch er spielt nun den Tontechniker, nur in dieser Szene. Als letzte betritt die Mitarbeiterin des Hörfunkredakteurs die Bühne.



HÖRFUNKREDAKTEUR: Hey...

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Bitte?? Oh Gott, hast du mich erschreckt...

HÖRFUNKREDAKTEUR: Entschuldige, das war keine Absicht.

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Ja, natürlich, alles in Ordnung, bloß... Entschuldige, ich fühle mich nicht so gut, ich kann mich nicht konzentrieren...

HÖRFUNKREDAKTEUR: Hier, trink das.

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Was ist das?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Das ist Tee. Der wird dich beruhigen.

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Glaubst du wirklich?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich kann gut verstehen, dass es im Moment schwer für dich ist.

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Ich weiß auch nicht, ich bin völlig durcheinander. Ich habe schon zwei Nächte nicht geschlafen und kaum etwas gegessen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Das verstehe ich. Hier, der Tee.

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Was für einer ist das?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Hagebuttentee von Podravka, beste Qualität, musst du probieren.

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Oh Gott, nein, ich hasse Hagebutte, nein danke.

HÖRFUNKREDAKTEUR (verächtlich): Sieh an, ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, so zu tun, als ob du’s schwer hättest, also lass dir ruhig Zeit.

FREUNDIN DES VERSTORBENEN (verärgert): Es wäre besser, wenn wir das sofort hinter uns brächten. Das wird langsam alles zu viel, ich will nach Hause.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Wir können auch das Thema wechseln!

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Also gut, Themenwechsel...

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich habe eins! Hast du deine Doktorarbeit fertig geschrieben?

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Hmmmmm... Nein, noch nicht, aber..., also ich hab’s nicht eilig...

HÖRFUNKREDAKTEUR: Was hast du eigentlich studiert?

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Na... Also, das ist nicht so wie in Zagreb, aber so etwas wie Öffentliches Recht.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Hmmm. Super. Super. Da kann dir ja dein Alter helfen.

FREUNDIN DES VERSTORBENEN: Ja, so wie er dir geholfen hat, diese Stelle zu bekommen. Ich kann meine Hausaufgaben allerdings selber machen, vielen Dank.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Wenn ich wegen deines Alten hier wäre, wäre ich längst gefeuert. Der ist hier nicht mehr so beliebt, ist dir das noch nicht aufgefallen?



(Mitarbeiterin kommt herein.)


MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Hey, wann seid ihr fertig? Mirjana braucht das Studio, um die Reportage nachzubearbeiten.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Wieso, die hat sie doch schon fertig produziert?

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Da war aber irgendein Problem, sie muss es noch einmal machen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Dann soll sie mich am Arsch lecken.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Was soll ich denn machen, verdammte Scheiße, es ist dringend, also beeil dich bitte.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Wir sind in einer Stunde fertig.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Beeil dich, bitte.


(Der Tontechniker kommt herein.)


TONTECHNIKER: Können wir anfangen? Mirjana muss nachher wirklich noch diese Reportage fertig machen...

HÖRFUNKREDAKTEUR: Mirjana kann mich kreuzweise, sie hatte den ganzen verfluchten Vormittag, ich habe nicht einmal geklärt, worüber wir uns unterhalten werden.

TONTECHNIKER: Dann macht das doch jetzt aus.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich kann das nicht in fünf Minuten klären.

TONTECHNIKER: Und was soll ich jetzt tun!

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Was kann ich denn dafür, verdammt noch mal, ich muss diese Reportage von Mirjana morgen früh um 10 senden. Setzt euch zusammen und findet eine Lösung.

HÖRFUNKREDAKTEUR (wütend): Gut, gut, das machen wir, Mirjanas verfluchte Reportage und ihr könnt euch ficken!


FREUNDIN: Was genau wollt ihr jetzt tun?

TONTECHNIKER: Was sollten wir denn genau tun?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Was gibt es denn da genau zu tun?

MITARBEITERIN: Wir tun, was wir tun können.



-        Wir werden dem Verstorbenen nach allen Vorschriften eine schöne Beerdigung ausrichten.

-        Wir werden ihn würdig begraben

-        Ohne Zigeuner und Blechmusik

-        Ohne Tuba, Fagott und diese bescheuerten dunkelblauen Uniformen

-        Ohne Regen, Matsch und alles, was ein sorgfältig geplantes Ereignis dieses Formats kaputt macht

-        Ohne Straßenköter, die hinter der Prozession her rennen und an jedes zweite Grabmal pinkeln

-        Nein nein

-        Wir sind keine Provinzler

-        Oder Figuren aus einem Kusturica Film

-        Kein Mehmed Meša, Dadan Karambolo oder dieser Djelem Djelem, der Gläser zerdrückt und sich  die Hände blutig macht

-        Wir sind keine Hauptschüler, untere Mittelschicht oder die "südlich der Save - östlich der Drina"

-        Auf unseren Beerdigungen ist es warm, und die Menschen sind zurückhaltend

-        Die Eiche ist erstklassig, etwa zweitausend Euro, und der Verstorbene ist attraktiv, denn der Verstorbene ist jung



HÖRFUNKREDAKTEUR: Wie war Ihre Beziehung zum Verstorbenen?

FREUNDIN: Ich meine, unter uns, wir standen uns nicht besonders nahe. Also nicht mehr, seitdem wir uns getrennt hatten. Wir hatten uns in der letzten Zeit auch nicht sehr oft gesehen. Wir verkehrten vielmehr in denselben Kreisen. Das ist eine kleine Stadt, da kann man sich kaum aus dem Weg gehen. Unsere Eltern hatten lange Zeit ein gemeinsames Büro. Dann bekam sein Vater eine Stelle im Ministerium und sie gingen getrennte Wegen. Ich habe ihn ab und zu gesehen, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, was er in der letzten Zeit wirklich getan hat. Wirklich nicht. Er war 32 und er wollte dieses Frühjahr in VWL promovieren, das hat er mir gesagt. Als ich gehört habe, dass er umgekommen ist, das war... da habe ich natürlich geweint und eine Zeit lang danach hatte ich das Gefühl, mich im luftleeren Raum zu bewegen. Der emotionale Verlust ist das Gegenteil von materiellem Gewinn. Wer wagt, der gewinnt, wer nachdenkt, der verliert. Das hat mein Vater immer gesagt. Wer wagt, der gewinnt, wer nachdenkt, der verliert. Der ist ein Verlierer.


HÖRFUNKREDAKTEUR: Natürlich, wer nicht flexibel ist, der ist leicht austauschbar.

TONTECHNIKER: Wer nicht anpassungsfähig ist, muss entweder dumm sein oder hat einen angeborenen Fehler im Nervensystem.

MITARBEITERIN: Auf jede Tat folgt eine entsprechende Reaktion.

FREUNDIN: Und dieser Ort ist krank. Als hätte er eine chronische Gangrän, die man oberflächlich mit einem Pflaster behandelt. Ich glaube, er suchte Herzensgüte. Aber die erlernt man. Sie ist nicht vererbbar. Sie ist nichts, was man von der Familie erbt. Ich meine, also, wir standen uns nicht sehr nahe. Wir waren nicht viel zusammen. Das ist eine kleine Stadt, da kann man sich kaum aus dem Weg gehen. Aber es hat mich doch ziemlich überrascht, es hat mich auch wütend gemacht, dass so was überhaupt passieren kann, das ist klar.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Vielen Dank für deine Aussage, wir senden das morgen früh nach den Nachrichten und nach Mirjanas Scheißreportage.

FREUNDIN: Kein Problem. Das ist ja auch wichtig, aber ich denke, dass man über wichtige Dinge reden muss und dass man heute über wichtige Dinge eigentlich wenig redet. Das denke ich ehrlich.

TONTECHNIKER: Schnitt!

HÖRFUNKREDAKTEUR: Du hast wieder mal mit deiner ausgeprägten Selbstdarstellung und Dialektik brilliert, schönen Tag noch und kommen Sie wieder.

FREUNDIN: Friss doch Scheiße!

HÖRFUNKREDAKTEUR: Danke gleichfalls. Ich bin für heute fertig. Willst du vielleicht etwas zu trinken?

FREUNDIN: Friss Scheiße!

TONTECHNIKER: Er hat sich nichts Böses gedacht.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich habe mir nichts Böses gedacht.

TONTECHNIKER: Ich habe mir nichts Böses gedacht...

HÖRFUNKREDAKTEUR: ... ist ein Syntagma, das seinen wahren inhaltlichen Wert, die

TONTECHNIKER: Lüge...

HÖRFUNKREDAKTEUR: Manipulation...

TONTECHNIKER: Rücksichtslosigkeit...

HÖRFUNKREDAKTEUR oder Gedankenlosigkeit – unter dem Vorwand des Unbeabsichtigten maskiert. Ich habe mir nichts Böses gedacht.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich. Habe. Mir. Nichts. Böses. Gedacht.


(Der Tontechniker verlässt die Bühne, kommt dann wieder herein, diesmal in der Rolle des Investors.)



ZWEI


INVESTOR: Ich habe mir nichts Böses gedacht. Ich wollte nichts Böses. Nicht zwangsläufig. Ich wurde vor 43 Jahren in einer Stadt mit 21300 Einwohnern geboren, beziehungsweise 37400, wenn man das Umland dazu rechnet. Fünf Grundschulen, vier Mittelschulen, sechs Geschäfte mit einem Jahresgewinn zwischen 5 und 12 Milliarden Kuna, eine Fabrikanlage mit einem Grundkapital von 700 Millionen und 300 Tausend Kuna und ein Krankenhaus ohne Kinderklinik oder Entbindungsstation. Die Mittelschule habe ich mit sehr gut abgeschlossen, dann habe ich mich an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eingeschrieben, alle Prüfungen fristgerecht mit einem Durchschnitt von 1,3 abgelegt und eine Assistenzstelle für das Seminar ‚Fortschrittliche Industriewirtschaften‛ bekommen. Ich habe mich für den Promotionsstudiengang mit dem Thema Finanzbericht und Revision eingeschrieben, ihn aber nicht abgeschlossen. Ich habe in der Geschäftsleitung zweier unterschiedlicher Außenhandelsfirmen gearbeitet, in der ersten als Partner, in der zweiten habe ich die Leitung aus eigenem Antrieb wegen der Akquisition aufgegeben. Die Aktien sind um 7,3 Prozent gefallen, ich hatte einen Käufer, der zur Übernahme bereit war und ich erhielt eine Abfindung, von der ich noch drei Jahre leben konnte. Ich musste nicht gehen. Aber wie heißt es so schön in jedem Buch über die Grundlagen der Wirtschaft, „was den Wirtschaftspraktiker von allen anderen Menschen unterscheidet, die nur über Wirtschaft sprechen, sind die Methoden und die Technik der Arbeit“. METHODE und TECHNIK. Ich habe mir nichts Böses gedacht. Ich wollte nichts Schlechtes. Nicht zwangsläufig.


Ich habe angefangen, mich sehr ernsthaft mit Industriewirtschaft zu befassen, mit Buchhaltungspolitik und Rentabilität. Ich bin Experte darin geworden, vorauszusagen, wann die Aktien einer Firma fallen müssen, wann man sie besser verkaufen, wann nur einen Teil verkaufen sollte, wann man etwas privatisieren sollte und wann nicht. Ich glaube, dass man das eigentlich nicht lernen kann. Das hat man oder nicht. Zu Privatisierungen kommt es eigentlich weniger, weil die Firma nicht liquide ist und man sie damit erhalten will, sondern eher wegen der siebenstelligen Abfindungen, wegen der Vergünstigungen, die damit einher gehen, wegen der Wohnungen in Hampstead, des Wochenendhauses in Dubrovnik und einer San Lorenzo SL-82 Jacht...



DREI


MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS:

In der letzten Zeit kann ich kaum etwas essen.

In der letzten Zeit zahle ich weder Rechnungen noch die Miete.

Ich gehe nicht zum Friseur, zum Arzt und nicht zur Arbeit.

In der letzten Zeit gehe ich allein schlafen.

Und kann nicht einschlafen.

Lange nicht.

Ich höre keine Nachrichten, feiere keine Geburtstage und kein Neujahr.

Ich war nicht auf der Hochzeit meiner eigenen Schwester.

Und nicht bei der Taufe ihres Kindes.

Und nicht auf der Beerdigung unserer Eltern.

In der letzten Zeit stelle ich meine Uhr nicht vor oder zurück nach der Winter- oder Sommerzeit.

In der letzten Zeit höre ich keinen Wetterbericht und weiß nicht, welcher Wochentag ist.



VIER


HÖRFUNKREDAKTEUR: Das Wetter ist heute sonnig,  vereinzelte Schauer sind möglich, der Wind weht schwach, Höchstwerte um etwa 17 Grad.

Weitere Nachrichten: Die Öffentlichkeit ist noch immer fassungslos. Gestern wurde um 16:32 vor seiner Wohnung im Zentrum Zagrebs der zweiunddreißigjährige M. K. mit zwei Schüssen in die Stirn und die Brust tödlich getroffen. Die Polizei sucht noch immer nach dem Täter, es liegt noch keine Bestätigung vor, ob es Spuren gibt, obwohl schon zahlreiche Personen verhört wurden, die mit dem Fall in Verbindung stehen könnten. Die Regierung hat bestätigt, dem Privatisierungsfond eine Frist von 120 Tagen gewährt zu haben, damit dieser Richtlinien für die Festsetzung der Anfangspreise der staatlichen Beteiligungen in 300 Firmen erarbeitet. Es ist genau 9:30 und sie hörten gerade die Morgennachrichten. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Tag auf der Frequenz 107.3. Mhz, im Anschluss hören Sie Vaya Con Dios Aie aie aie aie aie Puerto Rico.



FÜNF


HÖRFUNKREDAKTEUR: Du hast wieder etwas Falsches gesagt, du hast wieder etwas Falsches in den Nachrichten gesagt, und niemand hat es bemerkt. Was hast du gesagt, einen falschen Namen oder das falsche Jahr oder die falsche Zeit oder den falschen Ort? Vielleicht hast du statt den Nachrichten aus aller Welt Witze erzählt oder unartikuliert ins Mikrofon gestöhnt, als ob du dich daran erinnern würdest. Du hast wieder Scheiße gebaut, niemand hat es bemerkt, nicht einmal der Chefredakteur hört mehr, was du sendest, du hörst auch nicht mehr, was du sendest, du fühlst dich wie ein Blinddarm, der nie operiert wurde, weil er niemanden wirklich stört.



-        Überrascht dich das?

-        Die Menschen glauben immer mehr den Tarotkarten, den Handlinien und dem Kaffeesatz

-        Sie glauben mehr dem ökumenischen Konzil, Zacharias, Ezechiel und dem ägyptischen Totenbuch

-        Sie glauben ihnen mehr

-        als den Morgennachrichten

-        Das informative Programm verzeichnet eine rapide sinkende Hörerzahl



HÖRFUNKREDAKTEUR: Die Zahl der Zuhörer von Radiosendungen ist um 12 Prozent gesunken, die Zahl der Fernsehzuschauer um sieben Prozent. Allein letztes Jahr mussten wir vier Angestellte entlassen und drei Sendungen einstellen, weil die Zuhörerzahl bei weniger als zwei Prozent lag. Das bedeutet weniger als zehn Personen. Ich weiß nicht wie viele. Vielleicht zehn, vielleicht eine. Die meistgehörte Sendung ist der Verkehrsbericht und der Wetterbericht. Die Leute interessieren sich mehr für den Blödsinn, den sie auf ihrem Handy auf dem Weg von der Arbeit aufgenommen haben.


-        1.5 oder 3.2. Megapixel

-        In völlig kabelloser Infrastruktur

-        In den Taschen trägt man Mikrofone mit einer Reichweite von  50 Metern

-        Montagetische und Satellitennavigation

-        Exklusive Nahrichten werden aufgenommen

-        Verkehrsunfälle und kollaterale Vergewaltigungen

-        Unrasierte Tussis, die in zu kurzen Röcken spazieren gehen

-        Und Exekutionen von Herrschern aus der Dritten Welt

-        Mit einem Tastendruck

-        Klick

-        Und bevor sie sich ereignen

-        1.5. oder 3.2. Megapixel

-        In völlig kabelloser Infrastruktur

-        Mikrofone mit einer Reichweite von 50 Metern nehmen Ultraschall von 20 KHz auf, tektonische Erschütterungen, Klänge von Walen und pneumatische Sirenen.



SECHS


MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Alarm. Sirene. Alarm, Sirene, die lange und schrille, die einem durch das Ohr, den Hörkanal und das Trommelfell geht, so wie sich ein Messer durch lebendiges Fleisch bohrt, einen hochfahren lässt, dir ein ‚Verdammte Scheiße‛ abringt und dann so verschwindet, wie sie gekommen ist, doch sie hinterlässt eine Narbe, die auch mit einer intensiven Kollagen Regeneration nicht heilen kann. Die Sirene. Du hast Jahre gebraucht, um die semantische Verbindung zu verstehen zwischen dem mythischen Wesen, das mit seiner betörenden Stimme dumme Matrosen auf hoher See umbrachte und der Sirene STL-10 mit einer Druckluft von 122 Dezibel, die zur Warnung der Bürger bei Kriegsgefahren oder natürlichen Katastrophen dient. Aber du hast dich nicht um den lauten Alarm gekümmert, auch nicht um die Flugzeuge und Hubschrauber, die tief vorbei flogen und aus reiner Angeberei die Schallmauer durchbrachen, du hast dich auch nicht gekümmert, als er mit dem Gewehr unter dem Arm wegging und du nicht wusstest, ob er ohne ein Körperteil oder überhaupt nicht zurückkommt, du hast dich auch nicht im Luftschutzkeller gekümmert, als dir eine Alte eine Plastikflasche der Marija Bistrica mit aufgedrehtem Deckel in die Hand drückte, den man abnimmt um zum heiligen Wasser zu gelangen, Marija aufdrehen, Marija zudrehen, Marija aufdrehen, das war dir scheißegal, alles, was passiert ist, scheißegal und fast zwei Jahrzehnte später ist dir immer noch alles scheißegal, dir ist alles so egal, dass du jahrelang so viel Gleichgültigkeit in dir angesammelt hast und davon aufgedunsen warst, dass du wie ein verdammter Luftballon jeden Moment platzen konntest. Was die Menschen bei dir wohl am schlimmsten finden, ist dass sie deine Unhöflichkeit und Respektlosigkeit tolerieren mussten. Sie hatten keine Wahl. Sie mussten das tolerieren, denn du warst kein Demagoge in der Emigration oder die Frau des Außenministers. Nein nein, du warst hier, du warst hier für eine ganze Reihe von Kriegsklischees, die dir scheißegal waren, und deshalb waren sie gezwungen, dein undankbares Verhalten zu dulden. Doch dann ging es abwärts. Das heißt, als die letzten Sirenen verstummten, begann die Scheiße erst richtig! Man sagte dir, dass das normal sei, dass du dir keine Sorgen machen solltest, dass es bald vorübergehe... aber es dauert noch immer an. Und du bist noch immer hier und weißt, dass es nur zwei Zustände gibt, das was mal war und das was jetzt ist. Und das, was jetzt ist, zwingt dich jeden Tag, mit immer größerer Paranoia aufzuwachen, dir Sorgen zu machen, dass es bald vorbei sei und dass dieser Zustand nicht lange anhalten könne. Irgendetwas ist im Prozess wohl daneben gegangen. Er ist nie zurückgekehrt. Doch die Armee hat mir einen riesigen Orden verliehen, der drei Kilo wiegt, sie haben mir erlaubt, seine Uniform zu behalten, alle Kredite, die wir aufgenommen haben und alle Schulden, die wir hatten. So fängt das an, so fängt das an.


HÖRFUNKREDAKTEUR: Plötzlich bin ich aufgewacht.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Es beginnt an einem beschissen Morgen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Eines Morgens wacht man auf.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Nicht zu der gewohnten Zeit, wenn man aufwacht.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich bin zwei Stunden früher als sonst aufgewacht.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Man wacht später auf als normal.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Viel früher.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Ich bin um 11 aufgewacht.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich habe nicht erwartet, dass ich um 5 aufwache.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Ich bin um Mitternacht ins Bett gegangen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Normalerweise wache ich um 7 auf.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Ich war nicht einmal müde.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Aber ich habe mich gut gefühlt.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Ich habe ganze 11 Stunden geschlafen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Obwohl ich um 2 schlafen ging.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Viel.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Und habe nur drei Stunden geschlafen.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Zu viel.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Merkwürdig, aber egal.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Es ist nicht gut zu lange zu schlafen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Kommt wohl nicht wieder vor.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Zu viel schlafen ist krank.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Wer nicht genug schläft, wird krank.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Man sagt, dass man davon Diabetes bekommt.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Von Diabetes.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Dass man davon dick wird.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Oder von Bluthochdruck.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Man sagt, dass die Leber versagen kann.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Abnimmt.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Am nächsten Morgen bin ich auch um 5 aufgewacht.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Heute bin ich um 12 aufgewacht.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Der Morgen war kühl.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Das heißt, dass ich genau 12 Stunden geschlafen habe.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Der Himmel war blau, mit vereinzelten Wolken.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Das heißt einen halben Tag schlafen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Die Luft war kalt und beißend.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Das bedeutet, dass man jeden Tag eine Stunde später aufwacht. Weil man nirgendwo hin muss. Weil einen niemand braucht. Weil sich niemand erinnert.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Man sagt, wir seien eine unglaubliche Generation.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Man sagt, dass wir uns nichts merken können und dass wir eine niedrige Toleranzschwelle haben.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Man sagt, wir können uns nicht selbstlos bemühen, wenn es nötig ist.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Man sagt, wir seien faul und unfähig.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich bin aufgestanden und zur Arbeit gegangen.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Ich bin im Bett geblieben.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich bin früher gekommen, zum ersten Mal in drei Jahren. Guten Morgen. Sie hören 107.3 MHz. Es ist 8 Uhr und es folgen die Morgennachrichten.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: In der letzten Zeit esse ich wenig. In der letzten Zeit zahle ich weder Rechnungen noch die Miete. In der letzten Zeit gehe ich allein ins Bett. Und kann nicht einschlafen. Ich höre keine Nachrichten, feiere keine Geburtstage und kein Neujahr. In der letzten Zeit höre ich keine Wettervorhersage und weiß nicht, welcher Wochentag ist.



SIEBEN


FREUNDIN: Ich habe lange gebraucht, bis mir meine Position klar war. Ich habe herumgerechnet und überlegt, die Dinge von allen Seiten betrachtet. Ich habe Bücher gelesen, Nachrichten, Pamphlete, habe mit Menschen gesprochen und fünfmal in der Woche Kreuzworträtsel gelöst und Mensa-Intelligenztests gemacht. Alles, was mir hätte helfen können. Ich habe Klassiker der Weltliteratur gelesen und Enzyklopädien, habe mich mit Architektur befasst, Algorithmen und Kombinatorik geübt, Webseiten in PHP programmiert, Joseph Stiglitz und seine Werke über Makrowirtschaft auswendig gelernt, dreimal meine Haarfarbe geändert, mich nach der neuesten Mode gekleidet, aber mit einem Hauch Klassik, habe Französisch in Grundzügen gelernt, Yoga und Tai Chi geübt, mich mit Önologie befasst und ein sechsmonatiges Sommelier Programm in Nordösterreich absolviert, aber ich konnte mich nicht entscheiden, welche Weine ich gut fand, deshalb hat man mir dort gesagt, dass ich weder eine Haltung noch Geschmack habe und dass es mir nichts nützt. Da ich damit unzufrieden war, habe ich 15000 Pfund bezahlt und in irgendetwas in London promoviert. Ich weiß nicht mehr was. Meine Freunde haben mir gratuliert und wir haben eine Flasche Wein geöffnet, die angeblich gut war. Ein weißer Pinot aus dem Elsass. Aber ich hatte noch immer nicht verstanden, warum dieser Wein gut  gewesen sein soll. Ich begriff immer noch nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass ich zutiefst unwissend und verständnislos war. Und damit kann man nicht sehr viel anfangen. Man kann eine sehr gut bezahlte Stelle bekommen, Scheiße reden, Märchen erfinden, eine Zigarette nach der anderen rauchen und jemanden anschleimen. Irgendwelchen bescheuerten und langweiligen Blödsinn schleimen, der niemanden interessiert und warten, dass diese Person aufsteht und geht. Und das jeden Tag. Und ich habe zu viel Unsinn von mir gegeben. Zu viel Scheiße Scheiße Scheiße. Eines Morgens bin ich aufgewacht, mit 15kg weniger und 10 Jahren mehr. Ich hatte eine tolle Frisur, einen attraktiven Verlobten, eine gute finanzielle Situation, aber dafür ein Magengeschwür und einen schlechten Teint. Verdammter Mist. Mist Mist Mist.



ACHT


HÖRFUNKREDAKTEUR: Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten!

INVESTOR: Schon in Ordnung.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Der Verkehr ist schrecklich.

INVESTOR: Ist doch immer so!

HÖRFUNKREDAKTEUR: Danke, dass Sie gekommen sind!

INVESTOR: Mit Vergnügen!

HÖRFUNKREDAKTEUR: Es gibt viel zu bereden.

INVESTOR: Und nur wenig Zeit.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Dann müssen wir jetzt alles besprechen.

INVESTOR: Natürlich, die Rahmenpunkte.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Und dann gehen wir auf Sendung.

INVESTOR: Einverstanden.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ist das Ihr Handy?

INVESTOR: Entschuldigung, das ist wegen der Parkgebühren.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Kein Problem, machen Sie ruhig.

INVESTOR: Alles in Ordnung, so, schon fertig.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Zuerst würde ich gern über Ihre Rolle in der umstrittenen Privatisierung sprechen.

INVESTOR: Klar, über die operative Geschäftsführung.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Dann über die Bank, die das Projekt mit einem Kredit unterstützt hat.

INVESTOR: Bank für Kärnten und Steiermark.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ist das eine österreichische Bank?

INVESTOR: Die vor zwei Jahren eine Filiale bei uns eröffnet hat.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Und die sie jetzt schließt.

INVESTOR: Sie ist noch nicht geschlossen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Aber sie tut es wahrscheinlich.

INVESTOR: Sieht so aus.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Dann über die Absetzung des rechtlichen Vertreters des Projekts.

INVESTOR: Niemand war mit seiner Arbeit zufrieden.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Und natürlich über die plötzliche Einstellung der Arbeiten.

INVESTOR: Ende letzten Jahres.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Und die Ereignisse, die folgten.

INVESTOR: Ist der Tontechniker noch nicht da?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Er ist auch spät dran, der Verkehr, wissen Sie.

INVESTOR: Ja, natürlich, es ist wirklich viel los.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Also, womit haben wir es in diesem Fall zu tun?

INVESTOR: Es sind mehrere Dinge.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ist es Hinterziehung?

INVESTOR: Es ist Hinterziehung und Unterschlagung.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Passiva und Schulden.

INVESTOR: Materielle Unwahrheit und einen Revisionsmisserfolg.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Verantwortungslosigkeit?

INVESTOR: Grundsätzliche Intransparenz und ...

HÖRFUNKREDAKTEUR: Nachlässigkeit und fehlende Koordiniertheit?

INVESTOR: Verlorene wirtschaftliche Glaubwürdigkeit.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Möchten Sie einen Kaffee, Wasser oder einen Tee?

INVESTOR: Einen Kaffee bitte.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Aber waren Sie daran beteiligt?

INVESTOR: Natürlich nicht.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Manche behaupten ja.

INVESTOR: Behaupten sie, aber das ist Lüge.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Sie sind auch früher mit Affären in Verbindung gebracht worden.

INVESTOR: Die man mir nie nachweisen konnte.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Sie haben auch in den Aufsichtsräten rechtswidrig gehandelt.

INVESTOR: Wofür die ich nie rechtskräftig verurteilt wurde.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Wollen Sie Milch?

INVESTOR: Ja und zwei Löffel braunen Zucker.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Sie haben in korrumpierten Räten Entscheidungen gefällt.

INVESTOR: Die Räte bestehen nicht nur aus einer Person.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Sie haben zweifelhafte Geschäfte unterzeichnet, Darlehen gegeben und Kredite aufgenommen.

INVESTOR: Ich habe analysiert, initiiert, investiert und riskiert.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Doch diesmal stand viel mehr auf dem Spiel.

INVESTOR: Darf man hier rauchen?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Nein, schon seit zwei Monaten verboten.

INVESTOR: Aber kann ich mir eine anzünden?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Natürlich können Sie, hier ein Aschenbecher. Sie kannten den Ermordeten?

INVESTOR: Er kannte mich.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Manche behaupten, sein Tod ist mit Ihren Investitionen verbunden.

INVESTOR: Vielleicht behaupten sie das, aber sie lügen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Sie kannten ihn?

INVESTOR: Sein Vater war der Direktor der Firma, die mehrheitliche Beteiligungen am Unternehmen hält.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Was bedeutet, dass...

INVESTOR: Ich habe ihn bei Abendessen und Empfängen getroffen. Ich habe mein Feuerzeug verlegt.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Nehmen Sie meins.

INVESTOR: Der Tontechniker ist noch nicht da?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Da ist er. Wollen Sie noch etwas hinzufügen?

INVESTOR: Den ersten Sex hatte ich mit 23. Manche sagen, das ist spät. Aber die können mich mal. Ich habe ein Mädchen von der Uni gevögelt. Sie hat mir nicht gefallen. Wir waren noch einen Monat zusammen, dann hat sie gesagt, dass es nicht mehr geht und dass sie einen anderen kennen gelernt hat. Vier Jahre später habe ich meine Frau kennen gelernt. Sie hat Jura studiert und in einer privaten Firma gearbeitet. Wir waren ein Jahr zusammen und hatten eine kleine Hochzeitsfeier. Wir haben zusammen eine Wohnung gekauft, zwei Autos und einen Podenco Canario mit Pedigree. Wir haben 1300 Euro für ihn bezahlt. Der Podenco Canario ist nach 5 Jahren gestorben. Meine Frau und ich haben uns nach elf Jahren getrennt. Wir konnten einander nicht mehr sehen. Manche Sachen plant man nicht, aber sie geschehen eben und man kann sie nicht mehr ändern. Ich habe mir nichts Böses dabei gedacht. Ich wollte nichts Böses. Nicht zwangsläufig. Ich habe mir eingeredet, dass sie eigentlich an allem schuld ist, aber es liegt in der menschlichen Natur, dass man seinen Interessen mehr Bedeutung beimisst und was die anderen tun, kleiner macht. Vor einer Woche habe ich, mit einer gewissen inneren Anspannung, eine weitere Privatisierung eines Projekts zu Ende gebracht, die eine ganze Lawine an Reaktionen in der Öffentlichkeit losgetreten hat, als wäre die Öffentlichkeit etwas, das mich angehen sollte, dann gab es etwas größere interoperative Probleme und von da an habe ich ein paar Erklärungen für die Medien abgegeben, was ich normalerweise nicht mache. Was immer der Grund für Fehler ist, wie in der Wirtschaft so auch woanders, ist das Nichtkennen der Geschichte dessen, womit man sich befasst... Und ich habe mir nichts Böses gedacht. Ich wollte nichts Böses. Nicht zwangsläufig. Vor einer Woche habe ich eine Pistole gekauft. Nur zur Sicherheit. Ich würde sie nie wirklich benutzen.



NEUN


MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Gewehre unter die Arme und die Messer zwischen die Zähne, so haben sie es ihnen beigebracht, nicht wahr, im Krieg, deinem Vater, Mutter, deiner Großmutter und deinem Großvater und der Nachbarin und der Kassiererin im Laden und dem Automechaniker. Gewehre unter die Arme und das Messer zwischen die Zähne, das haben sie ihren Haustieren zugerufen, der Perserkatze, den Mäusen, die sie jagte, dem Vogel am Fenster. Du hast 15 verdammte Jahre gebraucht, um diesen beschissenen Satz aus der Erinnerung zu tilgen, um ihn aus dem Gedächtnis zu verbannen oder ihn wenigstens an einem dunklen Ort zu verdrängen, wo er dich nicht mehr stört, schau dich jetzt an, schau dich jetzt an, der Staat ist Mitglied aller Organisationen geworden, die Frieden wollen, der Marktaustausch auf internationaler Ebene macht Fortschritte, der Anteil der nationalen Minderheiten wächst, aber alles, was dir einfällt, ist die Ärmel hochzukrempeln und zu den Gewehren und Messern zu greifen, den Minenwerfern und ballistischen Raketen und alle zu eliminieren, die dich in diese Lage gebracht haben, verdammt noch mal. Du merkst, wie sich dir der Magen umdreht, dass du dich erbrechen musst, die Gesichtsmuskeln spannen sich schmerzhaft an und du bist kurz davor zu weinen, aber du darfst nicht, du darfst nicht, nicht jetzt. Gewalt ist etwas Männliches, Männliches, die ganze Scheiße, die in der Welt geschieht, hat einen Schwanz. Und was wäre, wenn man etwas dagegen täte? Was wäre, wenn jemand draufginge? Was wäre, wenn jemand bezahlen würde? In diesem so zivilisierten Moment unserer Geschichte. Was wäre, wenn jemand jetzt so richtig scheiße draufginge?



-        Was ist das Schlimmste, das dir passieren kann?

-        Was ist schlimmer, als das, was du jetzt hast?

-        Sie werden dich für kurze Zeit einsperren und dann Begnadigung beantragen.

-        Weil ihnen sonst alle Frauenlobbyorganisationen ewig an der Backe kleben.

-        Und wenn auch das nicht hilft, kannst du immer noch dem Richter einen blasen.

-        Die meisten sind sowieso schon alt und fahren auf Frauen wie dich ab.

-        Klar, du bist nicht gerade eine erstklassige Schönheit, aber gut, du bist noch jung, die Haut im Gesicht ist noch nicht schlaff und du hast noch keine sichtbaren grauen Haare.

-        Du kannst ihm nicht nur einen blasen, sondern später eine Affäre mit ihm haben, darauf warten, dass er seine Frau verlässt und dir ein Auto und Schuhe kauft.

-        Ausgezeichnet, siehst du nicht, dass sich das alles zu deinen Gunsten entwickelt.

-        Denk nach, sei nicht dumm.

-        Organisiere dich, mach einen Plan.

-        Sei berechnend, umgebe dich mit Menschen, von denen du einen Nutzen haben kannst.

-        Wenn du das früher gewusst hättest und von Anfang so gehandelt hättest, dann wärst du jetzt nicht in dieser Scheiße, sondern würdest an der französischen Riviera Cocktails trinken.

-        Aber wer sagt, dass das nicht so sein wird.

-        Noch ist Zeit, noch kannst du es schaffen.

-        Mach dir keine Sorgen, mach dir um nichts Sorgen.


MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Wie bist du so weit gekommen, wie? Wie wie wiewiewiewiewiewie, los, raff dich auf, Geld verdient man offensichtlich nur mit Blut, das weiß ja jeder, wohl jeder außer dir, aber deshalb bist du auch da, wo du bist, dieses Sprichwort ist wohl nicht umsonst, die Frage ist nur, ob du dir direkt die Hände schmutzig machen wirst, oder über Mittler handelst, ob du jemanden zum Bettler machst oder ihm einen Revolver auf die Stirn drückst.


-        Aber jedes gute Geld,

-        jede größere Geldmenge,

-        jedes Geld, das etwas wert ist,

-        jede Investition, die sich lohnt,

-        verdient man mit Blut.

-        Täusch dich da nicht,

-        so stehen die Dinge

-        Auge um Auge, Zahn um Zahn, hast du die Bibel nicht gelesen

-        Nein, es hat dich nicht interessiert, du glaubst nicht an Gott

-        Du bist so dumm.


MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Töte. Denk nicht nach, fühle nicht, schieße nur. Nur schießen. Das hat man ihm gesagt. Nicht nachdenken, oder stell dir vor, du schießt auf eine Mülltonne oder einen Briefkasten. So geht das und so ist es am besten. Töte die Schwester des Innenministers, die Nichte des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, den Sohn des Öl- und Agrokapitalisten, die Mutter des Tabakkönigs.


-        Oder ertränke wenigstens die Katze der Operndiva des Landes.

-        Töte, töte töte jemanden, egal, wen.

-        Du musst jemanden in Schach halten.

-        Du musst jemandem die Zähne ausschlagen, so macht man das heute

-        Sonst bist du nichts und niemand.


MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Du erinnerst dich genau an den Moment, als du reingefallen bist. Du erinnerst dich genau an den Moment, als du bestimmte Dinge nicht akzeptieren wolltest, die man dir anbot. Die Mitgliedschaften und Verbrüderungen. Das falsche Lächeln und den festen Händedruck. Dabei hättest du als Gegenleistung alles bekommen können, was eine Frau braucht, um ein schönes Leben zu haben.


-        Ihre Krankenversicherung ist gewährleistet.

-        Ihre Wohnsituation ist geklärt.

-        Ihre gesellschaftliche Position ist sicher.

-        Ihre Rentensituation ist ausgezeichnet.

-        Ihre Kinder werden in die besten Schulen aufgenommen.

-        Ihr Reisepass ist in allen Ländern gültig.

-        Ihre Liebhaber sind nur in hohen Positionen.

-        Sie bekommen noch eine beglaubigte Bestätigung Ihrer Mitgliedschaft.

-        Ein feierliches Kostüm für alle Anlässe. Sie müssen sich etwas gedulden, weil sie maßgeschneidert werden.

-        Ein monatliches Bulletin über die Aktivitäten der Partei. An Ihre persönliche Adresse oder Mail.

-        Eine Brosche. Sie werden sie bei Abendessen und Empfängen tragen.

-        Sie sind jetzt eine von uns.

-        Und wir gehören zu Ihnen.

-        Mit der gleichen Lebensphilosophie.

-        Der gleichen Nationalität.

-        Der richtigen.

-        Wir sprechen die gleiche Sprache.

-        Wir halten Ihnen den Rücken frei.

-        Bringen alles in Ordnung, wenn Sie Fehler machen.

-        Öffnen Ihnen neue Möglichkeiten.

-        Bieten Ihnen Kontakte.

-        Nicken bestätigend, wenn Sie sprechen.

-        Sogar, wenn Sie nicht recht haben.

-        Klopfen Ihnen auf die Schulter.

-        Mit uns können Sie rechnen.

-        Wir werden Sie nicht bescheißen.

-        Wir sind Ihre Genossen.

-        Freunde.

-        Brüder.

-        Ihre Seelenverwandte und Lebenspartner.

-        Leute, die anders sind, lassen wir nicht in unsere Kreise.

-        Wir werden Sie nicht bescheißen.

-        Außer, wenn wir es wollen.

-        Und wenn wir es wirklich wollen...

-        Machen wir Sie schnell fertig.

-        In einem Zug.

-        Sie werden es nicht einmal bemerken.

-        Sie werden sich nicht umdrehen können.

-        Und sind schon bis zum Hals in der Scheiße.

-        Wir bringen Sie dorthin, wo Gott nicht mehr hinsieht.

-        Vergraben im schwärzesten Loch.

-        In einem Massengrab.

-        Anonymer Dummköpfe.

-        Die zu sehr glaubten.

-        Und zu viel investierten.

-        In leere Floskeln.

-        In Massenrevolutionen.

-        Und neue Systeme.

-        Blutsbrüder.

-        Parteigenossen.

-        In salbungsvolle Liebhaber.

-        Mit blauen Augen.

-        Und sanften Händen.

-        Und warmen Umarmungen.

-        Wir werden euch nicht bescheißen.

-        Die anderen schon.

-        Die anderen ja.

-        Aber nicht wir.

-        Wir niemals.


ZEHN


HÖRFUNKREDAKTEUR: Und die weiteren Nachrichten, die Öffentlichkeit ist noch immer schockiert – vor zwei Tagen wurde um 16:32, vor seiner Wohnung im Zentrum von Zagreb der zweiunddreißigjährige M. K. mit zwei Schüssen in die Stirn und Brust tödlich getroffen. Die Polizei sucht noch immer nach dem Täter, doch sie hat noch nicht bestätigt, ob es Spuren gibt, obwohl sie schon mehrere Personen verhört hat, die mit dem Fall in Verbindung stehen könnten. Inoffiziell wird das lokale kriminelle Milieu verdächtigt, mit dem die Familie des Ermordeten seit Mitte der neunziger Jahre in Verbindung steht, während der Privatisierung gewisser Firmen, in deren Aufsichtsräten sie saßen, doch da es sich noch immer ausschließlich um Spekulationen handelt, will die Polizei keine ausführlicheren Erklärungen abgeben.


-        Zwei Schüsse in die Stirn und einer in die Brust

-        Auf der Straße, am helllichten Tag

-        Nicht schön anzuhören

-        Noch weniger schön anzusehen.

-        Aber so war es.

-        Ich weiß nicht genau, wer ihn getötet hat.

-        Die Mafia hat ihn getötet, das weiß man genau.

-        Schutzgelderpresser haben ihn getötet.

-        Die eigenen Leute haben ihn vernichtet.

-        Seine Leute aus Deutschland.

-        Wahrscheinlich aus Österreich.

-        Denn dort wurde gesät, dort wurde geerntet.

-        Bankkonten wurden eröffnet.

-        Edelsteine wurden versteckt.

-        Diamanten, Smaragde und anderer Mist.

-        So stand es auch in den Zeitungen.

-        Bank für Kärnten und Steiermark.

-        Es ist eine österreichische Bank.

-        Bank für Kärnten und Steiermark.

-        Die vor zwei Jahren bei uns eine Filiale eröffnet hat.

-        Und jetzt wird sie geschlossen.

-        Dort hat sein Alter Geschäfte gemacht.

-        Dort hatte er Schulden.

-        Von dort hat sein Alter die staatlichen Geschäfte geführt.

-        Dort war er während des Krieges.

-        Ach ja?!

-        Während wir hier umkamen.

-        Während wir hier bluteten.

-        Und andere Scheiße passierte.

-        Geblutet wofür?

-        Geblutet für welchen verdammten Scheiß?

-        Das hat er verdient, der Hurensohn.

-        Hurensohn, Feind des Vaterlandes.

-        Verdammtes Schwein, ich spucke auf sein Grab!

-        Es gibt keinen Grund dafür.

-        Das ist nicht anständig.

-        Das ist unter aller Würde.

-        Außer wenn alles doch nicht wahr ist.

-        Außer wenn ihn nicht seine eigenen Leute getötet haben.

-        Außer wenn ihn nicht seine eigenen Leute getötet haben, unsere!

-        Von hier!

-        Das ist möglich.

-        Aus Osijek, Sarajevo und Podgorica.

-        Valjevo, Pančevo, Nova Gradiška und Derventa.

-        Das sind wir, das ist unsere Mentalität.

-        Die Mentalität von Erpressern.

-        Schutzgelderpresser aus Derventa.

-        Jungs aus Knežije.

-        Banden aus Zemun.

-        Jungs von dort.

-        Das ist Blödsinn, das ist nur der übliche Mist.

-        Das ist überhaupt nicht wahr.

-        Vielleicht war es etwas ganz anderes.

-        Vielleicht war es nur ein belangloser Mord.

-        Vielleicht haben ihn kleine Diebe umgebracht.

-         Kleine Diebe brauchen immer irgendetwas.

-        Sie brauchen Geld für Alkohol und Kippen.

-        Man muss sich bei jemandem abreagieren, die negative Energie loswerden.

-        Jemanden zur Hölle schicken.

-        Gott verfluchen und Schwänze lutschen!

-        Deshalb, Geld auf den Tisch!

-        Geld her, Junge!

-        Oder willst du ein Messer an der Gurgel und eine Pistole im Mund.

-        Wir zählen bis fünf, schießen bei drei.

-        Zwei Schüsse in den Kopf, einer in die Brust!

-        Deine Fresse soll den Asphalt küssen und das Hirn an die Wand spritzen.

-        Wir leeren deine Taschen und ficken dich in den Arsch.

-        Wir kommen zweimal und trinken ein Bier.

-        Wir essen zu Mittag, kaufen neue Schuhe.

-        Wir kaufen ein Cabriolet und eine Wohnung im Dachgeschoss.

-        Wir unterschreiben Darlehen mit deinem Namen.

-        Nehmen Kredite für dich auf und lassen dich Schulden haben.

-        Bezahlen mit deiner Karte aus dem Geldbeutel.

-        Rufen deine Freundin von deinem Handy an.

-        Sagen ihr, dass sie eine Fotze ist, eine Hure.

-        Dass sie den nächsten Morgen nicht erleben wird.

-        Sie schreit, wir lachen.

-        Dann kratzen und schlagen wir uns noch eine Weile.

-        Falscher Ort, falscher Zeitpunkt, Alter.

-        Warum wolltest du auch da hin, wo du nicht hin solltest, warum wolltest du hin, wo wir sind.

-        Und wir gehen da hin, wohin wir wollen.

-        Vielleicht war es auch nicht so.

-        Aber das ist egal.

-        Wir wollen uns nicht mit unwichtigen Dingen aufhalten.

-        Das ist alles ohnehin eine Frage der Interpretation.

-        Wer das Schwert nimmt, wer sich mit dem Teufel anlegt...

-        Das einzig Wichtige, das einzige von Belang

-        ist die Redaktionspolitik der Zeitungen.

-        Und die Redaktionspolitik unserer Zeitung wird so sein, dass alle vor uns Schiss haben!

-        Dass alle vor uns Schiss haben.

-        Dass sich alle vor Angst in die Hose machen.

-        Das sagen sie.

-        Das sagen unsere Erpresser.

-        Unsere Erpresser von der Redaktion aus Babino Brdo.

-        Irgendwo im Wald.

-        Man wird heimlich sprechen.

-        Man wird Unwichtiges sagen.

-        Das wird der Ort sein.

-        Wo man heimlich und belanglos in Chiffren sprechen wird.

-        Wir werden alle täuschen und falsche Informationen veröffentlichen.

-        Wir werden ihnen 15 Jahre ihres Lebens wegnehmen, einfacher als man Kindern Süßes nimmt.

-        Und dann nehmen wir noch mehr.

-        Wir nehmen ihre Immobilien und die unbefristeten Arbeitsverträge.

-        Ohne Drohungen und verbale Konflikte.

-        Niemand wird sich zurechtfinden.

-        Außer denen, die müssen und können.

-        Außer denen, für die wir das vorhergesehen haben.

-        Außer der neuen unternehmerischen Elite.


HÖRFUNKREDAKTEUR: Die neue Unternehmer-Elite, die neue Unternehmer-Elite steht da und sieht zu. Sie amüsiert sich.

FREUNDIN: Ich habe etwas Gutes getan. Ich habe zu Ehren des Verstorbenen eine Stiftung gegründet. Wir haben uns im Stiftungsregister des Verwaltungsministeriums eingetragen, die vorgeschriebene Gebühr von 70 Kuna bezahlt und eine Schätzung vom Gutachter bekommen. Wir gründen gern Stiftungen, das ist schon unsere dritte. Ich meine, nicht die dritte von uns persönlich, das wäre äußerst unangebracht, um nicht zu sagen illegal, was ich eigentlich sagen will, ist, dass wir in der Organisation und der Führung von Stiftungen und Vereinen humanitären Charakters eng zusammenarbeiten. Denn Stiftungen sind fantastisch. Sie sind ein konstitutives Element des Ausdrucks von Humanität in unserer heutigen Gesellschaft, sie wecken die Aufmerksamkeit der  Öffentlichkeit, helfen Kranke heilen, geben Geld für Arme und Benachteiligte, darum ist klar, dass es niemand die Zusammenarbeit und Einladungen solcher Wohltätigkeitsorganisationen ablehnen kann.


-        Niemand, wirklich niemand kann das.

-        Nicht die drittklassigen Schauspieler,

-        Nicht die ultrarechten Musiker,

-        Nicht die ehemaligen Mitglieder des Zentralkomitees,

-        Nicht die korrumpierten Staatsanwälte

-        und auch nicht die Idioten vom Laufsteg, die denken, dass gutes Aussehen ein Beruf ist und die Rentenbeiträge sichert.


FREUNDIN: Alle sind dort wie eine große glückliche Familie, kleben an Stiftungen wie Fliegen auf Scheiße und prosten sich mit Champagner zu, denn es ist klar, dass Stiftungen im Gegensatz zu den Spendenaufrufen für UNICEF, die diese Kühe einem am Eingang von Einkaufszentren aufdrängen, in den Medien immer präsent sind und man öffentlich gelyncht wird, wenn man sich nicht beteiligt. Es gibt also keinen Zweifel, Stiftungen machen das Unmögliche möglich, sie füllen die Leere, die durch Fehler eines unfähigen Systems entstanden ist und ich hoffe ehrlich, dass es in einer idealen Zukunft nur von Stiftungen wimmelt!


HÖRFUNKREDAKTEUR: Und es stört dich nicht?

FREUNDIN:  Stört mich was nicht?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Das. Hier. Es stört dich nicht?

FREUNDIN:  Ich habe es vergessen!

HÖRFUNKREDAKTEUR: Was hast du vergessen?

FREUNDIN: Ich habe vergessen, dass solche Ereignisse immer auch lästige Journalisten anziehen. Ich habe vergessen, dass du auch da sein wirst und noch fünfzig andere, und dass ich aufpassen muss, was ich sage, dass ich zufrieden aussehen muss, laut lachen, und darauf achten, dass ich keinen Wein über mein verdammtes Klein gieße.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich bin noch immer beim Radio, ich habe keinen Fotoapparat, keine Sorge, was mich angeht, kannst du dieses Kleid vollkotzen. Für den Rest garantiere ich nicht.

FREUNDIN: Tu, was du tun musst.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich werde ein paar Aussagen aufnehmen.

FREUNDIN: Und ich nehme an, du wirst ein paar kostenlose Getränke haben? Das solltest du dir auf keinen Fall entgehen lassen, das wäre eine Sünde.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Wenn man es mir schon anbietet.

FREUNDIN:  Ja, allerdings. Champagner. Nicholas Feuillatte Blanc des Blancs. Verdammt teuer. Aber natürlich alles zu SEINEM Gedenken, nicht wahr! Oder so ähnlich.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Zu seinem Gedenken, natürlich. Super. Jetzt gehe ich aber.

FREUNDIN: Geh.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Es stört dich nicht?

FREUNDIN: Das alles?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Das alles.

FREUNDIN: Die Menschen müssen etwas für das Geld bekommen, das sie investiert haben. Das ist die Regel. Das weiß man.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ihr Makler-Freund, der Universalinvestor steht dort. Er ist auch gekommen, um ihre lobenswerte Initiative zu unterstützen. Er steht da mit einem Glas Hochprozentigem, er hat getrunken, aber nicht zu viel, wohl gerade so viel, um nicht von etwas zu reden, was wahr sein könnte.

FREUNDIN:  Solche Menschen schweigen auch, wenn sie betrunken sind. Oder erzählen etwas Harmloses. Solche Menschen haben einen angeborenen kleinen Mechanismus, solche Menschen ändern den Klang ihrer Stimme und die Informationen, die sie geben, je nach Zeit und Ort, an dem sie sich befinden.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Stimmt, und er steht dort drüben.

FREUNDIN: Soll er da stehen, das geht mich nichts an.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Du glaubst wohl, dass das alles hier ganz unschuldig ist?

FREUNDIN: Was soll ich denn tun, etwa aufpassen, wo ich stehe und in welchem Raum ich bin? Soll ich aufpassen, wem ich nahe stehe und mit wem ich rede? Soll ich aufpassen, wer wessen Sohn ist und wer wessen Vater, wer vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde und wer eine Strafe für falsches Parken hat? Wer trockener Alkoholiker ist und seiner Geliebten ein Auge ausgeschlagen hat? Soll ich dem Tierschutzverein melden, wer im Krieg illegal Wildscheine im Wald gejagt hat? Worauf soll ich heute alles achten? Da kann man leicht wahnsinnig werden.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich weiß nicht.

FREUNDIN: So bin ich nicht erzogen worden. Mich interessiert das alles im Grunde nicht. Ich will so nicht denken. Verstehen Sie? Verstehen Sie?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Er steht dort, das ist alles, was ich sagen wollte!

FREUNDIN: Soll er da stehen, mir doch scheißegal!

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich bin Journalist, wissen Sie. Journalismus ist eine ernsthafte Arbeit. Wissen Sie. Ich nehme das alles ganz ernst. Wissen Sie. Zumindest habe ich das früher getan. Jetzt vielleicht nicht. Aber früher schon.

FREUNDIN: Du bist niemand, alles Wichtige, was du bisher veröffentlicht hast, passt in deinen Arsch. Du schreibst drei Sätze, von denen alle wissen, dass sie überprüft sind, von denen du weißt, dass sie stimmen. Die Menschen glauben dir und danach schreibst du Romane. Warum bist du hierher gekommen?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich habe eine Einladung bekommen.

FREUNDIN: Wenn noch einmal so eine Scheiße passiert, oder irgendeine andere Scheiße, dann gehe ich. Ich steige ins Flugzeug und bin weg. Ich brauche das nicht. Verstehen Sie, ich brauche das nicht, das habe ich mir nicht ausgesucht. Ich bin nicht so erzogen worden, mich interessiert das alles nicht.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Schau dir doch historische Filme an, am Anfang gibt es zwei oder drei Banden, sie bekämpfen sich, einer rettet seinen Kopf, einer bleibt verletzt, einer wird aufgehängt, einer abgeschlachtet, jemandem werden die Eingeweide herausgeholt und den Hunden zum Frühstück hingeworfen und danach wird alles gut und die Zivilisation blüht.

FREUNDIN: Ich sehe keine Filme. Mich interessiert nichts davon. Ich habe keinen Grund, Interesse daran zu haben. Stell dir vor, wenn einen alles, alles um uns herum – ständig interessieren würde. Stell dir vor, wir wüssten alle, was vor uns passiert ist. Stell dir das mal vor. Das ist unnatürlich, das ist zu viel. Auf diese Weise könnte man leicht verrückt werden.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Er steht da mit einem kleinen Glas Hochprozentigem. Vielleicht lächelt er dir zu. Vielleicht ist es ihm egal.

FREUNDIN: Wenn du in zehn Minuten nicht gehst, rufe ich die Sicherheitskräfte.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Nicht nötig, ich gehe.

Er steht da, steht da und unterstützt solche Stiftungen und Vereine humanitären Charakters, er klebt an ihnen wie Fliegen an Scheiße, er steht da und nippt an seinem Hochprozentigen, er gibt Geld in die Spendenbüchse, büßt für seine Sünden im früheren Leben, er hilft den Bedürftigen, wie ein fetter balkanischer Bill Gates, der versucht, von den schlechten Arbeitsbedingungen seiner Angestellten abzulenken, wie ein soziales Naturunglück, er unterschreibt Schecks, er drückt den Obdachlosen Münzen in die Hand und gibt Dummköpfen Stipendien, stellt für die Hälfte des Landes Essen auf den Tisch und niemand ärgert sich über ihn, denn er ist nicht verdächtig genug, relativ unbekannt, moralisch nicht definiert und nicht rechtskräftig verurteilt, und er leckt an seinem Glas mit dem teuren Hochprozentigen aus Norwegen, wiegt sich im Rhythmus der Musik, die er nicht versteht, macht eine Frau an, die halb so alt ist wie er, er lehnt Champagner ab, Nicholas Feuillatte Blanc de Blancs, aber er lobt ihr Kleid, sieht auf ihren Hintern, schwitzt am Kinn, der Anzug zwickt und die Eier tun weh.


INVESTOR: Tschau, Kleine.

FREUNDIN: Oh guten Abend!

INVESTOR: Küss die Hand.

FREUNDIN: Sie sind gekommen!

INVESTOR: Ich bin gekommen!

FREUNDIN: Das freut mich. Dass Sie das nicht verpasst haben.

INVESTOR: Warum auch nicht. Das verpassen!

FREUNDIN: Ich weiß.

INVESTOR: Wo ist deine Familie?

FREUNDIN: Meine Mutter ist in Deutschland.

INVESTOR: Auf Geschäftsreise?

FREUNDIN: Und deshalb konnte sie nicht kommen.

INVESTOR: Sicherlich tut es ihr leid!

FREUNDIN: Es tut ihr wirklich leid, mein Vater kommt bald.

INVESTOR: Hatte er länger im Büro zu tun?

FREUNDIN: Er kommt. Vor ein paar Tagen hat er gesagt, dass er Sie treffen will. Sie.

INVESTOR: Ja. Wir. Müssen. Uns. Bald. Treffen. Und das Schlamassel klären.

FREUNDIN: Ja, Papa ist nervös...

INVESTOR: Jetzt wollen wir nicht darüber reden, oder. Diese Party ist sehr nett.

FREUNDIN: Danke.

INVESTOR: Das hast du sehr schön organisiert.

FREUNDIN: Danke! Danke!

INVESTOR: Du hast dir Mühe gegeben.

FREUNDIN: Ja, danke!

INVESTOR: Er wäre stolz auf dich.

FREUNDIN: Er ist stolz.

INVESTOR: Genau. Er sieht uns vom Himmel zu und ist stolz.

FREUNDIN: Ja. Wahrscheinlich. Ich weiß nicht.

INVESTOR: Wir müssten uns alle ein wenig entspannen, weißt du, alle sollten wir entspannen. In diesem Land sind alle immer viel zu angespannt. Man muss sich auch mal entspannen. Und genießen. Weißt du, wir arbeiten zu viel. Dein Vater, ich auch, und deine Mutter, wir alle arbeiten ein bisschen zu viel, weißt du, denn vieles hängt von uns ab, deshalb muss man sich irgendwie entspannen, du hast dieses Fest sehr schön organisiert. Du bist ein kluges Mädchen. Das habe ich immer über dich gesagt. Dass du ein kluges Mädchen bist. Du bist eine kluge Frau.

FREUNDIN: Danke.

INVESTOR: Du siehst sehr schön aus.

FREUNDIN: Danke.

INVESTOR: Du bist eine sehr schöne Frau. Dieses Kleid ist sehr schön.

FREUNDIN: Danke. Sie sind nett. Papa kommt bald, er kommt gleich.



ELF


HÖRFUNKREDAKTEUR: Die Polizei sucht noch immer nach dem Täter, doch sie hat noch nicht bestätigt, ob es Spuren gibt, obwohl sie schon mehrere Personen verhört hat, die mit dem Fall in Verbindung stehen könnten. Ich produziere Informationen am laufenden Band, bausche unbestätigte Angaben auf und schaue, wie sie sich verbreiten. Ich stecke mir zwei Zigaretten gleichzeitig in den Mund und zum Abendessen gibt es Bier in einer sozialistisch-realistischen Imbissbude am Stadtrand, um das Klischee eines mürrischen Journalisten und Liberalen aufrecht zu erhalten. Auf dem Weg werde ich ein Kind im Vorübergehen anspucken und betone damit die politische Dimension dieser Spucke als Kritik gegen die Überbevölkerung dieses Planeten und rege mich darüber auf, was mit den Menschen heutzutage los ist, warum sie sich verdammt noch mal so vermehren müssen.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Die Polizei fahndet immer noch nach dem Täter, aber sie hat noch nicht bestätigt, dass sie irgendwelche Spuren haben, das habe ich heute in den Morgennachrichten gehört. Vor zwei Tagen wurde der zweiunddreißigjährige M. K. um 16:32 vor seiner Wohnung im Zentrum von Zagreb erschossen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Inoffiziell werden Angehörige der lokalen Mafia verdächtigt, mit denen die Familie des Ermordeten seit Mitte der neunziger Jahre in Verbindung steht.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Im Radio sagen sie, dass es ihnen finanziell gut ging.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ja, sie waren die mehrheitlichen Eigentümer eines profitablen Industrieunternehmens.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Und er?

HÖRFUNKREDAKTEUR: Er war auch jemand.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Im Radio hieß es, sie hatten gute Beziehungen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Er hatte einen Bruder im Parlament und einen Onkel im Ministerium.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Ach was. Blödsinn. Das ist es sicher nicht. Die Leute übertreiben. Das ist alles bestimmt ganz anders. Vielleicht hat ihn seine Freundin erschossen. Vielleicht war es ein verdammter Beziehungsstreit. Zwei Schüsse in den Kopf. So werden Liebesprobleme gelöst. Klassisch.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Was zu der Tragödie geführt hat, potenzielle finanzielle Probleme, das weiß man noch immer nicht.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Danach hast du das Radio ausgeschaltet. Und morgen wirst du keine Nachrichten hören. Du wirst nie mehr Nachrichten hören.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Ich produziere Informationen am laufenden Band,  bausche nicht bestätigte Angaben auf und sehe zu, wie sie sich verbreiten. Das einzige was mich aufhält, ist die Pause beim Abendessen.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: In einer sozialistisch-realistischen Imbissbude am Stadtrand sitzt der etwa 36 jährige Hörfunkredakteur.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Am Tresen sitzen zwei ungepflegte Rentner.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Die Kellnerin ist wie immer missmutig.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Und mir gegenüber ist ein abgehalftertes Liebespaar und eine dicke Frau mit riesigen Augenringen, die Kleingeld zählt.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Und wir sind die einzigen Kunden von heute und der Grund, warum die Imbissbude nächstes Jahr schließen wird.

HÖRFUNKREDAKTEUR:  Du bestellst Bier, wollen Sie noch etwas essen, fragt dich die Kellnerin lustlos, nein danke, antwortest du genauso lustlos, obwohl, bringen Sie doch eine Portion Pommes Frites, damit ich für die nächste halbe Stunde etwas zu verdauen habe.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Ich nehme an, dass du gewöhnlich mit einem Salzstreuer spielst, aber in diesem beschissenen Lokal steht keiner auf dem Tisch.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Du kriegst höchstens ein Glas von jemandem unter die Nase gesetzt, der vor drei Tagen gegangen ist.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Die wie immer missmutige Kellnerin wird es mit etwas Wasser abspülen und es dir wieder unter die Nase setzen.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Du wirst hoffen, dass die Person, die vor dir daraus

getrunken hat, keine ansteckende Krankheit hatte.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Die Kellnerin hat dir Pommes Frites gebracht.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Sie sind etwas verbrannt.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Du warst schon hier, du hast gewusst, dass das Essen beschissen ist.

HÖRFUNKREDAKTEUR: Du warst auch schon hier, du hast gewusst, dass der Kaffee beschissen ist.

MITARBEITERIN DES HÖRFUNKREDAKTEURS: Das wird der erste und der letzte sein, du bist nicht besonders hungrig.

HÖRFUNKREDAKTEUR:  Trotzdem, es ist schon nach 19 Uhr, du musst zurück zu Radio 107.3 MHz, um 12 musst du noch eine berühmte Person interviewen.


ZWÖLF


-        Wir haben dem Ermordeten nach allen Regeln eine geschmackvolle Beerdigung ausgerichtet.

-        Wir haben ihn würdig begraben.

-        Ohne Zigeuner und Blechmusik.

-        Ohne Tuba, Fagotts und diese bescheuerten dunkelblauen Uniformen.

-        Ohne Regen, ohne Matsch und alles andere, was ein dezent geplantes Ereignis solchen Charakters kaputt machen könnte.

-        Ohne Straßenköter, die hinter dem Trauerzug herrennen und an jedem zweiten Grabstein eine Pinkelpause einlegen.

-        Nein, nein.

-        Wir sind keine Provinzler.

-        Keine Figuren aus einem Kusturica Film.

-        Kein Mehmed Meša, Dadan Karambolo oder dieser Djelem Djelem, der Gläser zerdrückt und seine Hände blutig macht.

-        Wir sind keine Hauptschüler, untere Mittelschicht oder die "südlich der Save - östlich der Drina".

-        Das lassen wir alles zurück.

-        Wir schreiten auf anderen Pfaden.

-        Wir schreiten nach vorne.

-        Leichten Schrittes und reinen Gewissens.

-        Auf Marmorwegen und dem klaren Himmel über uns.

-        Denn bei unseren Beerdigungen ist es warm und die Menschen sind zurückhaltend.

-        Die Eiche ist erstklassig, etwa zweitausend Euro und der Ermordete ist attraktiv, denn der Ermordete ist jung.

-        Denn unsere Ermordeten sterben immer jung.

-        Immer häufiger vor ihrem 35. Lebensjahr.

-        Immer häufiger in guter körperlicher Verfassung, ohne viele Falten im Gesicht oder schlaffer Haut am Hals.

-        Dafür haben wir gesorgt.

-        Wir sorgen dafür, dass es so ist.

-        Wir haben den Blutstropfen von der Stirn gewischt.

-        Die tödliche Wunde mit Isolierband beklebt.

-        In das durchschossene Loch einen Korkendeckel gedrückt.

-        Haben gelogen, dass er an einem Hirnschlag gestorben ist, an Aids oder Leukämie.

-        Gelogen, dass er an einer Krankheit gestorben ist.

-        Dass der Kampf lange dauerte.

-        Wir haben ihm einen schwarzen Anzug und eine Krawatte angezogen.

-        Lackierte Schuhe über die Füße gezogen.

-        Eine Filmvisagistin hat ihn gepudert.

-        Zuerst wollte sie nicht.

-        Sie hat gesagt:

-        Ihr spinnt!

-        Sie hat gesagt:

-        Kommt nicht in Frage!

-        Sie hat gesagt:

-        Was ist los mit euch, ich schminke keine Toten?!

-        Was ist los mit euch, ich schminke keine Söhne von Tycoons, die bei einer bewaffneten Abrechnung umkommen?!

-        Sie schminkt ausschließlich Schauspieler und Showkünstler.

-        Sie macht ausschließlich Editorials und Werbekampagnen.

-        Aber man sagt, dass jeder einen Preis hat.

-        Man sagt:

-        Jeder hat seinen Preis.

-        Nach einem großzügigen Geldangebot

-        hat sie gesagt:

-        Ich habe noch einmal darüber nachgedacht und finde...

-        Sie hat gesagt, sie kann!

-        Die Arme ist eingeknickt.

-        Ihr blieb die Spucke weg.

-        Bei dem Honorarbetrag.

-        Wer würde auch nicht?

-        Und sie hat dieses Stück Fleisch besser als ein Titelmodel von einer Pornozeitschrift  geschminkt.

-        Primer, Puder, Shimmer und Concealer.

-        Und ein bisschen Rouge.

-        Dunklen, für Männerhaut.

-        Damit er nicht krank aussieht.

-        Und das hat er wirklich nicht.

-        Er sah wunderbar aus.

-        Frisch.

-        So gut wie nie.

-        Als wäre er gerade vom Urlaub auf Barbados gekommen.

-        Danach haben wir ein Ave Maria und Halleluja gesungen.

-        Und noch ein aktuelles Poplied.

-        Haben unsere Wünsche ausgesprochen, Gruß und Botschaft.

-        Haben Vaterunser gebetet und den Ermordeten mit Weihwasser besprengt.

-        Wir haben eine Totenmesse bezahlt und unsere Kleinheit vor Gott beteuert.

-        Den Sarg ins Grab gelassen.

-        Das Grab mit Erde zugeschüttet.

-        Die Erde mit Stiefeln fest gedrückt.

-        Wir sind zum Auto gestiefelt.

-        Und haben nach den ehrbaren westchristlichen heidnischen Bräuchen die Seele des Ermordeten aus dem Fegefeuer zum Teufel geschickt.

-        Dass er nie wieder zurückkommen soll.

-        Wir haben gesagt:

-        Amen.

-        Wir haben gesagt:

-        Halleluja.

-        Wir haben gesagt:

-        Wir haben einen Saal im neuen Fischrestaurant in der Altstadt reserviert. Der Petersfisch ist garantiert frisch und der Malvasier ist erstklassig, wir hoffen, dass es allen bekommt.