DAS FLEISCH - DEUTSCH
Drama o odnosu majke i kćeri, bazirana na novinskom članku. Siromašna majka, za koju se njena kćer Ajša odbila brinuti nakon što je počela zarađivati kao prostituka radi manipulacije koju je ova provodila nad njom cijeli život, tijekom dugačke svađe s Ajšom baca kćeri kiselinu u lice, uništavajući joj život i ljepotu.
Übersetzt von DANIJELA KAPUSTA
DIE PERSONEN:
Die Mutter
&
Eischa
&
Der Zweifel
&
Stimmen
GEGENWART – GUTE NACHRICHTEN/SCHLECHTE NACHRICHTEN
New York – Eine 35-jährige Amerikanerin wird des Mordes an ihrem Ehemann angeklagt. Nach dem Bericht der brooklyner Polizei, verprügelte sie diesen und tötete ihn danach mit dem hohen und spitzen Absatz ihrer Schuhe. Der Ehemann starb in den frühen Morgenstunden nach dem Streit vor einem Night Club an Brust-, Kopf-, Torso- und Halsverletzungen.
Bangkok – Den Ärtzten gelang es, das Augenlicht eines 81-jährigen Tailander-Mönches zu retten, nachdem sich dieser anstatt Augentropfen super starken Kleber in die Augen geträufelt hatte. Der unglückliche Mönch wurde im Angthong-Krankenhaus volle zwei Stunden operiert. Am Ende gelang es den Ärzten, die zusammengeklebten Augenlieder mit Azeton zu trennen. Dem im Angthong-Tempel Lebende Phra Khru Prapatworakhun geht es wieder besser.
Einem Anchorager (44) wurde durch einen chirurgischen Eingriff sein Penis wieder angenäht. Diesen schnitt ihm seine zornige Ehefrau nach einem Streit und dem versöhnenden Sex ab, warf ihn ins Klo und und spülte. Der Mann wurde von seiner Ehefrau ins Krankenhaus gebracht. Durch Vermittlung der Polizei wurde das Klo von den Arbeitern des lokalen Wasserwerks geöffnet und der amputierte Penis wiedergefunden.
Istanbul – In einem türkischen Gefängnis bekamen ein Gefangener und eine Gefangene, die zwischen den Zellen ein Loch ausgruben, damit sie die Liebe machen
können, aus der dann ein Kind geboren wurde, noch zusätzliche vier Monate Haft wegen der Beschädigung des Staatseigentums. Dem verurteilten Mörder Seylan
Corduk und der wegen Bomben-Legen gesperrten Kadriye Fikret Oget gelang es,
zwischen ihren Zellen ein zehn Zentimeter breites Loch auszugraben.
Sun city – Eine 68-jährige Großmutter ist angeklagt worden, ihren Mieter unter der Dusche heimlich aufgenommen zu haben. Der schockierte 29-jährige Mann fand in einem Loch in der Wand zwischen seinem Badezimmer und dem Schlafzimmer der Großmutter eine Mini-Kamera. Die Großmutter wurde wegen Verletzung der Privatsphäre und unzüchtiger Handlungen verurteilt. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung beging die Oma aus Scham vor den Nachbarn Selbstmord. Testamentarisch überließ sie ihr ganzes Erbe dem Mieter.
Hong-Kong – Die Ärzte kämpfen um das Leben einer 23-jährigen Frau, der ihre Mutter im Streit Salzsäure ins Gesicht warf. Als Grund gab sie an, dass sie sich von ihrer Tochter vernachlässigt fühlte. Denn die junge Frau, beruflich eine Prostituierte, kümmerte sich weder emotional noch finanziell um die Mutter, seit sie ihr eigenes Geld verdiente.
BALD
Die Mutter:
Bald. Du wirst schön sein. Du wirst leicht geboren werden. Als ob du wüßtest, wie schön das Leben wird. Ich werde lachen, wenn du aus mir kommst. Mein Lachen wird auf deinem Gesicht bleiben.
Bald. Zwei aber immer noch eins. Du und ich. Ich werde dich anschauen auch, während ich schlafen werde. Du wirst dich von meinem Blick nicht abnutzen. Du wirst nur wachsen. Ich werde dich stützen. Ich werde dein Gleichgewicht halten. Dich lernen, in den Wolken zu schweben. Du wirst unbesiegbar. Du wirst keine Angst haben. Egal wohin du gehst, ich werde dir leise und unaufdringlich hinterherschleichen. Unbemerkbar. Im Wartezustand. Hinter deinen Rücken. Auf deiner Seite.
Bald. Ich werde dich auf Händen tragen. Mein zerbrechlicher Schatz. Ich werde dich vor Kälte, Unruhe und Bösem schützen. Nichts Schlimmes wird dir passieren. Nichts Schlimmes kann dir passieren. Schlafe. Das kluge Gesicht. Die großen Augen.Die langen Schritte. Der Stempel des Glücks.
DER ZWEIFEL
Der Zweifel:
Hast du je gezweifelt?
Die Mutter:
Nein.
Der Zweifel:
Manchmal? Wenn sie sich in deinem Bauch umdreht und dich mit den Füßchen stößt? Fragst du dich dann, ob sie es schaffen kann?
Die Mutter:
Sie wird es schaffen.
Der Zweifel:
Sie muss es schaffen. Für sich und für dich. Denn du hast es nicht geschafft.
Die Mutter:
Ich nicht! Aber jetzt weiß ich viel mehr als früher. Und ich werde ihr den richtigen Weg zeigen.
Der Zweifel:
Den einzigen Weg um jemand zu werden. Um etwas zu haben. Aber was kannst du ihr darüber sagen? Du hast nichts.
Die Mutter:
Ich hatte einmal. Mein Reichtum war in mir. Meine Frische, meine Jugend, meine porzelanartige Haut, meine perfekten Beine.
Der Zweifel:
Und jetzt… Schau dich an. Deine Haut ist weich. Deine Zähne sind gelb. Du hast zugenommen. Du hast nichts mehr.
Die Mutter:h
Leute sind fähig, die Gattung zu reproduzieren, ihre Weisheit auf ihre Nachfolger zu übertragen. Sie wird klüger als ich. Sie wird ausnützen, alles was sie hat. Sie muss das perfekte Produkt werden. Und sich selbst verkaufen. Der Erfolg liegt im Geld.
Der Zweifel:
Gibt es vielleicht noch einen anderen Weg?
Die Mutter:
Ich weiß am besten, dass es keinen beseren gibt. Ich habe es versucht.
Der Zweifel:
Darf sie auch versuchen?
Die Mutter:
Versuchen und einen Fehler machen? Nein. Man lebt nur einmal. Sie muss ein Ziel haben und konsequent handeln. Wenn sie nicht enden will, wie…
Der Zweifel:
Wie du.
Die Mutter:
Wie ich. Arm und allein. Aber was weißt du davon? Du lebst, um andere zu quälen.
Der Zweifel:
Ich bin der Zweifel. Und ich bin hier , um Fragen zu stellen.
GEGENWART – ES IST DEINE SCHULD MUTTER
Das Licht.
Eischa:
Einmal war ich schön. Einmal lebte ich. Bis neulich war ich noch Eischa. Jetzt bin ich niemand mehr.
Die Mutter:
Ich biiiin niiiicht schuldig!
Eischa:
Es ist deine Schuld Mutter. Du bist keine Mutter. Du bist ein Krokodil. Ich habe keine Mutter mehr. Sie gebar mich und tötete. Meine Haut ist verbrannt. Die Augen ausgebrannt. Die Muskeln verschwunden. Ich werde nie wieder Leidenschaft fühlen. Es gibt keinen Mann für mich mehr. Nur Gier und Schweiß der zusammengeklebten Körper. Seine Nägel kratzen. Hinterlassen rote Spuren auf meiner Haut. Bisse und Spuren, auf meinem Bauch und auf den schmutzigen Betttüchern des salzig bitteren Bettes. Und unsere Küsse und unsere nicht existierende Liebe. Aber damals, damals lebte ich wenigstens! Und jedes Mal als ich auf meinem Rücken lag und seine haarigen Schultern betrachtete, wie sie rhytmisch zittern, während sie meinen Körper zerstören, jedes Mal sah ich ein Licht. Tausende Lichter. Die rot-gelb glitzernden Lichter der Großstädte. Den Metallschein der erst erbauten Gebäude. Den blau-schwarzen Himmel. Die Strahlen der Disco-Reflektoren. Das Trappeln tausender Füße. Die springen und auf den Boden fallen, im Rhytmus, in dem die Musik die Ohren der Tänzer taub macht. So laute Musik, dass sie direkt aufs Gehirn schlägt. Und sie tanzen und springen und tanzen und springen und tanzen und springen und ich springe mit ihnen zusammen. Nackt und weiß pralle ich ab von der Härte des Bettes. Mein Kopf zerbricht die dicke Fensterscheibe auf dem hundertsten Stockwerk des abgeschälten Hochhauses. Und ich fliege genau in die Mitte. Und sie breiten ihre Hände aus, sie empfangen mich, sie zerstöckeln mein Fleisch und ich lache, ich schreie vor Glück und ich lebe, ich lebe, ich lebe!
Die Mutter:
Du konntest hier bleiben.
Eischa:
Hier konnte ich nicht mehr bleiben.Hier bei dir, die mir immer sagt, was ich zu machen und wohin ich zu gehen habe, wohin nicht und, wie groß die Schritte sein sollen,die ich machen darf.
Die Mutter:
Ich wollte, dass dein Leben, eine strahlende und ervollgreiche Bahn nach oben wird.
VERGANGENHEIT – DIE LEKTION
Die Mutter:
Den Bauch einziehen! Was für eine Haltung ist das? Geh aufrecht, verdammt noch mal!
Eischa:
Niemand schaut mich an.
Mutter:
Es muss dir unter die Haut gehen. Egal wer dich anschaut. Damit du immer so bleibst. So schön. So anziehend. So begehrenswert.
Eischa:
Ich bin auch jetzt anziehend, oder?
Die Mutter:
Meine Kleine, du bist so blöd. Du bist nicht so anziehend, wie du sein könntest. Du läufst wie ein hinkender Storch. Und es ist dir unangenehm, die Brüste zu zeigen.
Eischa:
Ist es mir nicht.
Die Mutter:
Ist es dir doch. Aber das wird vergehen. Du musst nur üben. Der Erfolg kommt nicht von selbst. Er kommt mit Blut, mit Schweiß, mit Pisse. Mit Qual.
Eischa:
Und danach?
Die Mutter:
Danach kannst du alles. Danach kannst du wählen, wie du leben willst. Und du kannst nehmen, alles was du willst. Was dir gehört.
Eischa:
Und was wäre, wäre ich nicht schön?
Die Mutter:
Nichts. Man würde dich nicht einmal anschauen. Du würdest für immer hungrig und beschissen bleiben.
Eischa:
Du hast offensichtlich nicht ausreichend geübt.
Die Mutter:
Du bist eine kleine freche Ratte! Wer sagt, dass ich nicht genug geübt habe?
Eischa:
Warum sind wir dann hier?
Die Mutter:
Es gab einen Fehler. Die schicksalhafte Begegnung mit deinem Vater. Siehst du, wie gut ich bin? Ich habe dir alles im voraus gesagt. Hoffentlich, muss man es dir nicht zwei Mal sagen.
Eischa:
Und wann werde ich endlich rausgehen dürfen?
Die Mutter:
Wenn du dafür bereit bist.Ein vollendetes Produkt. Die Wahre fehlerlos. Du wirst leben. Das schöne, schöne Leben. Alle mögen schöne Dinge. Schade, dass sie so teuer sind. Und schade, dass man sie nicht hat. Meinst du, dass diejenigen, die den Armen die Nahrung schenken – diese Blöden – meinst du, dass die wissen, dass davon niemand satt werden kann? Die wissen das nicht. Sie wissen nicht, was der echte Hunger ist. Das Glas. Das Blitzen. Die Diamanten. Das Glas. Das Blitzen. Die Diamanten. Das Rascheln, Rascheln… Ra-schsch… Das Geld. Ich habe Hunger. Im Haus gibt's nichts zum Essen.
Eischa:
Ich habe auch Hunger.
Die Mutter:
Ich habe dir geholfen. Und du wirst mir auch helfen. Ich würde sterben, wenn ich sehen müsste, wie du leidest. Ich liebe dich.
Eischa:
Ich liebe dich auch.
Die Mutter:
Du wirst mir gehorchen?
Eischa:
Ich will.
Die Mutter:
Ich habe Angst.
Eischa:
Du? Wovor?
Die Mutter:
Was, wenn du mich verlässt?
Eischa:
Ich werde dich nicht verlassen. Du hast mich auch nicht verlassen.
Die Mutter:
Wir haben immer zusammengehalten. Wir zwei.
Eischa:
Wir zwei und niemand mehr.
Die Mutter:
Wünschst du dir noch jemanden? Tut mir leid. Aber das wird nicht passieren. Sei bereit. Jede Frau in deiner Nähe wird sich deinen Tod wünschen. Und jeder Mann wird dich ficken wollen. Du wirst nie einen Freund haben. Du wirst aber immer eine Mutter haben. Und alles, was du jetzt nicht hast. In der Mitte dieser Kugel steht eine Seule, eine unglaublich hoche, unglaublich feste Seule. Sie reicht bis ins All. Sie besteht aus dem, was man vekaufen und, was man kaufen kann. Nämlich aus G-E-L-D.
VERGANGENHEIT – DER SPAß DER SCHÖNEN JUNGEN
Die Mutter:
Sie sind nicht besser als du. Erlaub ihnen nicht, dich zu verwirren. Sei gut zu ihnen. Sie sollen dich lieb haben.
Eischa:
Sie sollen mich nicht lieb haben. Sie sollen bezahlen.
Die Mutter:
Sie werden bezahlen – aber komm ihnen entgegen. Befriedige sie. Und sie werden sich an dich gewöhnen. Sie werden dich wie Nahrung brauchen. Wie Wasser und Licht. Du hast die Kraft, sie zu führen. Du bist wunderschön. Zeig ihnen die Zähne. Beiß sie, aber zärtlich. Lass ihnen ein bißchen Blut fließen. Sie werden dich schätzen. Und wenn sich dann einer in dich verliebt, musst du ihn erkennen. Schau ihm in die Augen. Sie werden blind, wässerig und feucht. Nimm ihn an die Hand. Führe ihn. Er soll dir gut sein. Er soll alles haben, was du nicht hast. Und er soll dich lieben für immer.
Eischa:
Ich habe Hunger.
Die Mutter:
Dort gibt es zu essen. Bist du bereit?
Eischa:
Ich bin es.
Die Mutter stößt Eischa auf die Party.
-Der Wein ist schrecklich.
-Die Party ist bescheuert.
-Gehen wir irgendwo anders.
-Gehen wir. Nee, halt mal! Schau dorthin!
-Wohin? Was ist?
-Dort.
-Mmm. Sie ist süß. Wollen wir bleiben?
-Ja, noch ein bißchen. Schau sie dir an! Na, was sagst du? Wie sie vor sich hinschaut… Und wie sie geht!
-Man will sie auf einen Tisch legen und ihr die Unterhosen auszuziehen.
-Süß wie Honig. Und so erschrocken.
-Was, die Angst erregt dich?
-Sie hat keine Angst. Sie ist nur Anfängerin.
Die Mutter:
Wir haben das alles gelernt. Den Rücken aufrechthalten! Den Kopf heben! Den Blick erwidern. Ihre Zähne strahlen in der Dunkelheit. Sie wollen dich aufessen. Sei vorsichtig! Du darfst nie auf ihren Teller gelangen! Danach werden sie dich nicht mehr jagen wollen. Sie wollen dich. Sie beobachten dich. Schaut nur! Sie ist die Schönste!
Eischa:
Hier ist es schön. So blitzend und glitzernd. Dies- ist meine Welt! Hier möchte ich sein! Jeder möchte das. Alle. Aber ich, ich bin hier. ICH!
DER ZWEIFEL
Der Zweifel:
Hast du je gezweifelt?
Eischa:
Nein.
Der Zweifel:
Manchmal? In der Nacht? Wen du nicht einschlafen kannst? Hast du dich je gefragt, ob es auch andere Wege gibt?
Eischa:
Nein. Ich bin mir sicher.
Der Zweifel:
Fragst du dich, wie weit du gehen kannst?
Eischa:
Ich weiß, wie weit. Bis zum Ende.
Der Zweifel:
Und was, wenn du müde wirst?
Eischa:
Ich werde nicht müde. Meine Motivation ist stark.
Der Zweifel:
Glaubst du, dass du immer so sicher bleiben wirst?
Eischa:
Was denkst du denn?
Der Zweifel:
Ich bin der Zweifel. Ich muss nicht denken. Ich stelle Fragen.
Eischa:
Denkst du, dass es dir gelingen wird, mich zum Zweifeln zu bringen?
Der Zweifel:
Nein. Ich bin hier, um laut auszusprechen, was du auch allein manchmal denkst. Du hast dich in deinem Bett hin und her gewälzt, oder…? Du hast den Kopf unter das Kissen geschoben, hast geschwitzt und dich gefragt und gefragt – und dein Herz schlug dabei dum dum dum dum – ob es vielleicht auch eine andere Lösung gäbe? Und was du gern wärest, wenn du groß wirst?
Eischa:
Ich möchte glücklich sein. Und satt.
Der Zweifel:
Oder fremdes Fleisch vielleicht? Der Liebling eines Haustiers? Es ist bescheuert. Hast du keine Angst vor dem Altwerden? Vor Missmut? Du wirst austrocknen. Deine Zunge wird bis zum Boden reichen. Du wirst den Boden lecken. Zusammen mit dem ganzen Dreck. Und Staub. Und Erde. Du wirst hassen. Du wirst sterben mit einem Schimpfwort zwischen den Zähnen. Oder glaubst du, dass dir das nicht passieren kann? Dass du so besonders bist?
Eischa:
Hast du Augen? Schau mich an? Verpiß dich, du der klügste! Stell deine Fragen, irgendwelchen anderen Blödköpfen.
VERGANGENHEIT – ÜBER DAS IDEALE HAUSTIER
Die Mutter:
Eischa?
Eischa:
Was?
Die Mutter:
Ich habe nachgedacht.
Eischa:
Du hast nachgedacht.
Die Mutter:
Über dich. Du bist erwachsen. Wie schnell die Zeit vergeht.
Eischa:
Du wirst alt.
Die Mutter.
Du ebenfallst. Es ist Zeit. Du musst dir deine Zukunft sichern. Das beste für dich tun. Das beste Haustier finden, das es gibt. Damit es auf dich aufpasst, dich hütet, dich ernährt und dich wärmt.
Eischa:
Warum jetzt?
Die Mutter:
Vielleicht wirst du später müde oder wirst aufgeben oder kleinmutig werden. Oder verfallen. Verwelken. Vielleicht wird dein Gesicht grau. Oder das Haar wird dir abfallen. Und deine Haut wird sich in Orangenhaut verwandeln. Und deine Zähne werden verderben und dein Atem stinken. Versichere dich! Heirate!
Eischa:
Ich habe erst angefangen, zu leben. Soll ich mich gleich binden?
Die Mutter:
Binde dich ruhig. Du verlierst nichts. Und gewinnst alles. Jetzt Ajscha, mach es, wo du es noch kannst. Mach es für dich. Und für mich. Kannst du dich noch erinnern? Du hast dich erholt, während ich gearbeitet habe. ICH habe mich geplagt. MICH hat es geschmerzt. Du hast geschlafen. ICH habe um uns gesorgt. ICH ALLEIN. ICH. Allein. Jetzt bist du an der Reihe.
VERGANGENHEIT – 360° G Wärme.
Eischa:
Ich weiß noch nicht einmal, wie er aussieht. Wahrscheinlich wie alle anderen. Es wird nichts Hervorhebendes an ihm geben. Außer seines Gesichtsausdrucks, wenn er mich erblickt. Wenn ich ihn erblicke. Ich werde beschleunigt nachdenken. Wie kann ich ihn verführen? Ich bin keine Jungfrau. Und ich bin nicht deins. Aber ich weiß: du wirst mich nie verurteilen. Ich werde dich mit der weißen Hand an die weiße Brust ziehen. Ich werde dich mit den sanften Beinen einer Katze umarmen. Ich werde deine Rippen pressen, bis dir der Atem stockt. Die Tage werden rieseln wie der Sand in einer großen Sanduhr. Ich habe Angst, allein zu sein. In meinem Bett in der Nacht, in der Dunkelheit. Schwitzend und stumm und leer. Mit Träumen und Alpträumen. Während mich die Fleich fressende Pflanze von drinnen frißt. Komm rein, ins mein Zimmer. Beuge dich über das Bett, während ich schlafe. Wiege mich in deinen Armen. 360° G Wärme. Ich bitte dich! Ich werde dich nie mehr um etwas bitten. Erscheine mal! Ich werde dich verführen und dich verführt haben. Ich werde dich küssen, dich nackt küssen, dich haben, dich lieben, und dich verlieren. Am Ende.
GEGENWART – IM RING
Eischa:
Seine Augen waren so hell. In einem Augenblick hatte ich das Gefühl, sie könnten grob werden. Er hatte das Gesicht eines Kindes. Er sah überhaupt nicht gemein aus. Er war das perfekte Haustier.
Die Mutter:
Und es ging schief.
Eischa:
Vom Anfang an. Ich bin geboren für Fehlauftritte. Das Ehebett wurde zu einem Boxerring. Ich, ICH war dort, und nicht DU! Die Schläge fielen auf mein Gesicht. Das Applaudieren der Hungrigen! Ei-scha, Ei-scha, lass uns gehen Ei-scha! Deine Hände klatschen mit mehr Ausdauer als die der anderen. Mach weiter! Mach weiter! Bleib in der Stellung! Die Hände nach vorne! Die Beine spreizen! Kein Aufgeben!
Die Mutter:
Die Mutigen geben nicht auf.
Eischa:
Der Stern steht am Himmel. Das Ziel ist im Kopf. Befolge es. Blind und hartnäckig. Es wird sich lohnen.
Die Mutter:
Es hätte auch so kommen können.
Eischa:
Egal wie stark es schmerzt? Und wie es aussieht, wenn man auf den Rücken fällt? Mit gespreizten Beinen, verprügelt und blutig. Mit blutigen Hüften. Auf dem Boden. Ich.
Die Mutter:
Du hättest dieses Match auch ein bißchen klüger spielen können.
Eischa:
Ich hätte. Ich hätte auch verschwinden können. Ich habe schon angefangen zu verschwinden. Zu Rauch zu werden. Eine kleine Falte am Himmel.
Die Mutter:
Und so bist du geflohen.
Eischa:
Endlich, weit weg von meinem grausamen, satten und dicklichen Meister. Nur mir gehörend.
Die Mutter:
Jedem gehörend.
Eischa:
Nur zu mir. Auch wenn es jedes Mal ein anderes enges Bett ist. Und andere jedoch ähnliche haarige Schultern. Der Geruch des Schweisses. Und immer, aber wierklich immer das gleiche Licht. Und es gibt niemanden, der glaubt, dass es mich gibt. Der mir die Fähigkeit zu existieren wegnehmen will, die Fähigkeit zu denken, zu leben. Es gibt niemanden wie du. Was hast du dir gedacht, dass wir mit so einer blöden, naiven Idee gewinnen könnten, das es auf dieser Erde jemanden gibt, der jemanden retten will? Es gibt niemanden. Nicht ohne dass man das eigene Blut vergießt.
VERGANGENHEIT – MACH DEN MUND AUF
Eischa:
Lie-be. Komm rein. Mach es dir bequem. Ziehe die Schuhe aus. Bist du durstig?
Lie-be. Komm. Berühre mich.
Lie-be. Entspanne dich. Ich bin brav. Ich helfe dir. Ich werde nichts machen, was du nicht willst. Ich werde alles tun, lehn du dich zurück.
Lie-be. Du darfst laut sein. Wir sind doch allein. Niemand kann dich hören oder sehen. Du wirst sowieso nicht die Schuld tragen. Ich habe die Schuld. Ich verkaufe hier. Du hast nichts damit zu tun.
Lie-be. Sei nicht zärtlich. Es ist nicht nötig. Sei so, wie du sonst bist. Du wunderst dich, wie gut ich dich kenne? Es gibt in dir nichts Besonderes. Es ist dir peinlich? Mir nicht. Du spielst mir noch immer was vor? Komm doch, ich bitte dich! Ziehe ihn heraus! Dring in mich ein. Sag mir nicht: ich liebe dich.
Lie-be. Fühl dich frei. Ich gebe dir Liebe.
Schweige! Halte den Mund!
GEGENWART – DIE FREIHEIT
Eischa:
Freiheit. Egal auf welche Weise.
Die Mutter:
Was für eine Freiheit ist denn das?
Eischa:
Wähl das kleinere Übel. Das Übel, bei dem du allein dein Herr bleibst. Wie ist es möglich, dass du es noch immer nicht verstehst? Ich wollte allein sein. Ohne dich.
Die Mutter:
Warum bist du dann an jenem Tag zurückgekehrt?
Eischa:
Ich war neugirig. Ich wollte wissen, wie du aussiehst. Wie verfallen du bist? Ob dein Gesicht vor Hunger erstarrt ist? Versteinert in einem gefrorenen Krampf. Wie du jetzt aussiehst, nachdem alle deine Pläne gescheitert sind? Ich muss zugeben, dass ich neugierig war.
Die Mutter:
Ich habe es schon längst gerochen. Sein verdorbenes schäumendes Blut.
VERGANGENHEIT – DAS FLEISCH
Die Mutter reibt den Boden mit einer Bürste, die sie in einen Eimer mit Flüssigkeit eintaucht. Sie putzt mit ihren Handschuhen. Energisch. Frenetisch.
Eischa:
Grüß dich mein Loch! Grüß dich Mutter!
Die Mutter:
Eischa?!
Eischa:
Ich bin überhaupt nicht hier, um mich mit dir zu unterhalten. Ich möchte mich satt essen und ausschlafen und danach gehe ich wieder. Was stinkt hier? Wie etwas Saueres. Kommt es von dir?
Die Mutter:
Wenn du einmal einen Boden geschrubbt hättest, würdest du es wissen.
Eischa:
Du schrubbst beharrlich und es wird trotzdem nicht sauber.
Die Mutter:
Du siehst zerbrochen aus.
Eischa:
Ich bin es auch. Wie sollte ich auch nicht? Ich bin Fleisch. Schwarz gewordenes, verfaultes und verdorbenes Fleisch. Dein Produkt. Das Blut deines Blutes. Du schneidest und zerreißt, kaust und beißt und später verdaust du es mit einer Ah-Erleichterung. Jeder hat mich versucht. Ja, jeder bis zum Letzten hat sein Fleisch in mich gestoßen.
Die Mutter:
Halt den Mund!
Eischa:
Und es war mir angenehm. Denn dafür war ich geschaffen. Um mein Fleisch zu geben.
Die Mutter:
Warum bist du nicht nach Hause zurückgekommen?
Eischa:
Ich habe kein Zuhause. Ich bin Fleisch. FLEISCH! FLEISCH! Kau-fen sie Fleieisch!
Die Mutter:
Wo warst du die ganze Zeit?
Eischa:
In der Metzgerei.
Die Mutter:
Wo hast du dieses Gift gefunden?
Eischa:
Du hast es mir gegeben. Guter Job. Tut mir leid, Alte, aber es ist mir nie eingefallen, zurückzukommen und dich mitzunehmen. Du würdest wieder deine Lippen an meine Ohren kleben und dein Evangelium in sie flüstern. Dein Plan für mein Spiel!
Die Mutter:
Du bist so blöd! Du hast alles verdorben. Und schau, wo du jetzt bist. Du bist nicht von der Stelle gekommen. Und bald wirst du nicht einmal mehr schön sein.
Eischa:
Ich sehe, wo ich bin. Und ich bin noch immer schön. Und ich kann weggehen. Und du? Schau dich an. Du bist hängengeblieben. Sogar die Ratten würden vor dir fliehen. Vor der Gier und dem Hunger, die aus deinen Augen treten. Wer braucht dich noch? Du wirst sterben. Allein sterben. Die Insekten werden dich fressen und töten. Du wirst schreien vor Qual, wie du schon das ganze Leben geschrien hast. Und es wird niemand da sein, um dir zu helfen! Niemand wird dich hören! Niemand wird dir mehr gehorchen wollen! Du wirst niemandem mehr befehlen. Du, eine selbstsüchtige, langweilige, böse Hexe!
Die Mutter verliert die Kontrolle und gießt die Flüssigkeit aus dem Eimer Ajscha ins Gesicht.
GEGENWART – DIE ANDERE
Die Mutter:
Verzeih mir.
Eischa:
Ich habe dir verziehen. Jetzt hast du mich. Du wirst dich um meinen Körper kümmern, bis er stirbt.
Ich bin ausgebrannt. Tot. Ich werde langsame schwere Schritte machen. Unmächtig und blind. Ich werde das Murmeln der Leute hören, wenn sie mich erblicken. Ich werde fühlen, wie sie es meiden, mich anzuschauen. Wie sie die Straße überqueren, die Hand über den Augen. Wie sie ihren Kindern die Augen verdecken. Es ist die Frau mit dem ausgebrannten Gesicht. Schau sie nicht an. Du wirst nicht mehr schlafen können. Ich werde nachdenken. Wäre ich je mit der Hand in den eigenen Magen eingetaucht, was hätte ich dort gefunden?
Die Mutter:
Mach dir keine Gedanken über Vergangenheit. Morgen-
Eischa:
Existiert nicht.
ZUKUNFT – 360° G WÄRME
Eischa:
Eines Tages, wenn wir einander wieder begegnen, wirst du mich fragen, was ich damals wollte. Das Leben, das wollte ich. Und es ist schade, dass wir einander nicht schon früher getroffen haben. Mein Krieg ist zu Ende. Ich habe die Waffen niedergelegt. Du wirst den Kopf zurückwerfen. Entschlossen zurückwerfen. Und mir direkt in die Augen schauen. Ich werde dich mit meiner knöchigen Hand an die schon hängende Brust drücken. Du wirst mich küssen. Und ich werde dich mit meinen zitternden, ungeschickten Beinen umarmen, dir die Rippen pressen, damit du mir nicht entfliehen kannst. Du wirst dich überhaupt nicht wehren. Mein verbranntes Auge wird dich panisch und bittend anschauen. Bleib hier, bleib hier! Du wirst dich nicht von der Stelle rühren. Ich werde mit deiner vor Erregung gekrampften Hand meine runzelige ausgebrannte Wangen berühren. Du wirst keinen Ekel empfinden. Ich werde dich wieder verführen und dich verführt haben. Ich werde dich küssen, dich nackt küssen, dich haben, dich lieben und dich nie mehr verlieren.